Die Rolle des Scrum Masters: Aufgaben und Verantwortlichkeiten

Der Scrum Master ist wahrscheinlich die am meisten unterschätzte Rolle in der Welt des agilen Projektmanagements. Was sind die Aufgaben des Scrum Masters und was beinhaltet dieser Job eigentlich?

Scrum Master: Rolle und Aufgaben | scagile Blog

Inhalt dieses Artikel

Scrum Master – Der Intendant der agilen Kultur

Über den Scrum Master wird viel geschrieben, millionenfach (>13 Mio Einträge in Google) wurde bereits beschrieben, was ein Scrum Master tun soll, wofür er steht und wie seine Rolle innerhalb von Scrum definiert ist. Und dennoch gehört diese Rolle in der Praxis zu der wohl am Meisten unterschätzten Rolle in Scrum. Wie kann das sein?

In diesem Artikel wird es nicht so sehr darum gehen, den vielen Millionen Beschreibungen der Rolle, noch eine weitere hinzuzufügen, sondern sie in den richtigen Kontext der drei Scrum Rollen einerseits und zwischen Scrum Team und Organisation andererseits zu setzen.

Wie verhält sich die Scrum Master Rolle also in Bezug auf seine Scrum-Team-Kollegen und wie interagiert er mit der Organisation.

Worauf ich hier verweisen möchte, ist ein sehr kultureller Aspekt und damit geht es schon gleich ziemlich zur Sache.

3 Rollen im Kulturwandel

Kultur ist ohnehin ein problematischer Begriff, denn darunter kann irgendwie alles oder nichts verstanden werden und er wird oft auch für etwas im Detail schwer zu Definierendes verwendet.

Ich verwende den Begriff Kultur hier als ein „tradiertes Set von Einstellungen und Verhaltensweisen“. Wenn der Begriff „tradiert“ hier schon auftaucht, dann ist damit auch klar, dass eine agile Kultur nicht in drei Monaten herzustellen ist.

Das wiederum sollte aber auch nicht als Alibi verwendet werden, wenn drei Monate nach der Einführung agiler Methodik noch keinerlei Effekte sichtbar sind.

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Das kulturelle Problem, auf das ich hier hinweisen möchte, entsteht nicht durch die Rolle des Scrum Masters, aber aus praktischer Sicht betrifft es sie wohl mit am Meisten. In jedem Fall ist es eins, welches viele Organisationen gar nicht so auf dem Radar haben, wenn sie agile Methodik einführen und dies erschwert die Arbeit von Scrum Mastern enorm, denn sie müssen der Orgnisation dann die schlechte Botschaft überbringen oder – noch schlimmer – diesen kulturellen Change einfordern.

Keine leichte Aufgabe, wenn man sich die Dimension des Problems verdeutlicht. Aber jetzt zum Problem selbst:

Scrum als Implementierungsmethodik kommt mit drei Rollen aus. Alles, was in der Implementierung eines Projektes oder Produktes zu verhandeln gibt, wird zwischen Product Owner, Scrum Master und cross-funktionalem Dev-Team ausgehandelt.

Man kann sich leicht vorstellen, dass dies zu einer enormen Aufladung jeder einzelnen Rolle mit Aufgaben und Verantwortung führt, umso mehr wenn das Produkt sehr komplex ist, die Organisation skaliert oder ganz neue Technologien und Verfahren eingeführt werden.

Das kann nur funktionieren, wenn die einzelnen Rollen sehr autark aber gleichzeitig perfekt aufeinander abgestimmt sind.

Damit rütteln sie aber an einem Teil des Fundaments unserer aktuellen Zivilisation, weshalb wir auch das große Wort „Kulturwandel“ bemühen.

Gerüttelt wird an unserem Autoritätsmodell. In unserer Gesellschaft, und demzufolge auch in nahezu allen Organisationen kennen wir zwei Autoritätsmodelle, die deontische Autorität, also die Zuschreibungsautorität und die epistemische Autorität, also die Wissensautorität.

Nach diesem Prinzip funktionieren wir schon seit einigen hundert Jahren, mal die eine, mal die andere mehr betonend.

Scrum führt ein neues Autoritätsmodell ein, das weder rein epistemisch ist, noch rein deontisch, sondern irgendwie anders.

Jede der drei Rollen ist einerseits sehr spezialisiert, das ist der epistemische Teil, hat aber Kraft seiner Rolle entsprechende Entscheidungskompetenz.

Das ist sogar etwas anders, als beispielsweise in unserer Regierung, wenn man sich die Ministerrunde ansieht. Die Minister selbst sind keine Experten in ihrem Fachgebiet und sollten sich die Minister nicht einig sein, greift die sogenannte Richtlinienkompetenz der Kanzlerin. In den meisten Unternehmen ist diese deontische Hierarchie sogar noch stärker ausgeprägt.

Für agiles Arbeiten ist das aber nicht gut, denn das Wesen agilen Arbeitens besteht darin – mal von allen agilen Evangelien abgesehen – dass sehr schnell gute und richtige Entscheidungen auf Basis von nur wenigen Informationen getroffen werden müssen. Es gibt keine vollständige Spezifikaiton, die Software wird gleichzeitig aber immer komplexer und die Deadlines drücken wegen immer brutaleren time-to-market Anforderungen, um das ganze Problem in einem Satz zu beschreiben.

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Was in einer solchen Situation noch übrig bleibt, sind die Akteure, weshalb sich Scrum ja auch mehr mit den Menschen beschäftigt, während Wasserfall sich eher mit Prozessen und Architekturen befasst hat.

Dieses Problem inklusive der Ursache und damit auch der Tragweite ist vielen Organisationen bei der Einführung agiler Methodik gar nicht bewusst und das führt dann oft zu einer sehr verkürzten oder mechanischen Einführung von agilen Rollen und Prozessen. Anders ausgedrückt:

Ohne diesen notwendigen kulturellen Wandel spielt eine Organisation bestenfalls großartiges Scrum-Theater, aber wird es schwer haben, die Methodik so auf die Straße zu bringen, dass die ökonomischen Ziele sicher erreicht werden können

Der Scrum Master – und das ist der Grund für diesen Exkurs – ist nun der erste Protagonist für diesen kulturellen Change. In einem Satz könnte man die drei Rollen in Scrum ungefähr so zusammenfassen:

Der Product Owner hat die Hoheit über das Backlog, der Scrum Master über die Methodik und das Dev-Team über die Implementierung.

Welche Rolle spielt der Scrum Master?

Betroffen sind von diesem kulturellen Change natürlich alle drei Rollen gleichermaßen, aber der Scrum Master ist hier ganz klar der Leader indem er die Verantwortung für die Methodik hat.

Diese Rolle wird in vielen Organisationen sehr unterschätzt und Scrum Master sind dann eher auf die Rolle eines besseren PMOs zurückgeworfen, in der sie die Meetings artig organisieren und vielleicht auch moderieren und sich ganz im Allgemeinen „kümmern“.

Ihnen fehlt es oft am nötigen Rückhalt durch die Organisation und an Respekt bei oft alteingesessenen Entwicklerteams, die ja alle schon vorher da waren.

In einer solchen Konfiguration ist es dann schwer, einen so fundamentalen kulturellen Wandel einzuleiten, was den Scrum Mastern dann wiederum oft auch noch vorgeworfen wird. Ein Teufelskreis.

SAFe weist daher ganz zurecht darauf hin, dass ein Management-Commitment für einen agilen Change nicht mehr ausreicht, sondern dass das Management einen solchen Change selbst treiben muss. Das kann das Management nicht an die Scrum Master delegieren.

Die Scrum Master werden diesen Change in die Teams tragen und natürlich wirken sie auch auf die Projektorganisation,
aber agiles Arbeiten ist ein so umfassender Prozess und ein so umfassender Change, dass Scrum Master alleine das nicht bewältigen können.

Da sind auch die Botschaften der Communities bis hin zu den großen Organisationen wie Scrum.org oder Scrum Alliance nicht besonders hilfreich, die suggerieren, man könnte Scrum in einem Dreitageseminar erlernen und 80 Fragen beantworten und schwups, ist man zertifizierter Scrum Master.

Real ist die Situation doch eher vergleichbar mit einem Facharzt, der nach seiner Approbation noch einige Jahre praktische Erfahrung sammeln muss, um eigenverantwortlich auf die Patienten losgelassen zu werden.

Agiles, paralleles Arbeiten in großen (monolithischen) Applikationen

In großen Organisationen mit mehreren Duzend bis mehreren hundert Entwicklern gibt es im Rahmen von agilen Transformationen sehr bald Fragen und Diskussionen über die richtige Skalierungsstrategie.

Denn die Rolle des Scrum Masters beschreibt doch eher einen Intermediate. Er sitzt zwischen Product Owner, Dev-Team und Organisation. Er ist eben nicht nur Freund und Anwalt des Entwicklungsteams, dem er zweifellos am nächsten steht.

Er ist in der Rolle die Methodik gegenüber allen Beteiligten durchzusetzen.

Das ist oft schmerzhaft, ganz besonders deshalb, weil das agile Arbeiten in der Praxis ja für alle zunächst neu ist, oft auch für den Scrum Master selbst. Oft sage ich dann in meinen Trainings, dass Scrum Master Menschen sein sollten, die nicht viele Freunde brauchen sollten. Das ist natürlich eine übertriebene Darstellung und ich will die Rolle auch nicht schwarzmalen.

Protagonist eines solchen Kulturwandels zu sein, kann extrem spannend und befriedigend sein, sollte es sogar und die Organisationen wären gut beraten, ihre Scrum Master entsprechend zu behandeln.

Vor allem müssen sie mit der notwendigen Autorität ausgestattet werden, einer Autorität, die Compliance-Charakter hat, also ähnlich wie Datenschutzbeauftragter oder Betriebsrat, denen auch ungern widersprochen wird.

Was sind die Aufgaben eines Scrum Masters?

Die Herausforderung für Scrum Master, und das ist auch der Grund, warum sie eine dem Fachartz vergleichbar längere praktische Ausbildung bräuchten, besteht nicht darin zu erklären, wie Scrum funktioniert. Sondern sie besteht darin ein Konzept zu entwickeln, wie Teams und Projektorganisationen in der konkreten Situation dahin gebracht werden.

Das sind Beispiele für Fragen, die weit über das Erklären von Sprints, Dailys oder Retrospektiven hinaus gehen, aber unmittelbar mit dem ökonomischen Erfolg einer Organisation in Verbindung stehen, bzw. diesen maßgeblich beeinflussen.

Die App für scaled agile Teams ist da!

Organisationen, aber auch viele agile Coaches sind oft sehr schnell dabei die Methode zu customizen, weil sie denken, dass ihre Organisation ganz anders ist, als alle anderen. Das mag stimmen, aber das bedeutet nur, dass der Weg zur agilen Methode sehr unterschiedlich verlaufen muss und auf diese spezielle Organisation abgestimmt werden muss, nicht die Methode selbst.

Commitment beispielsweise ist ein Grundwert in Scrum, der nicht verhandelbar ist.

Aber der Weg, wie ein Scrum Master Teams trainiert und in der Organisation entsprechende Rahmenbedingungen setzt, die das unterstützen (und nicht geradezu verhindern), der kann hochindividuell sein. Und um diesen zu finden brauchen Scrum Master viel praktische Erfahrung.

 

Zusammengefasst sind hier die Hauptaufgaben eines Scrum Masters:

 

1. Moderation des Scrum-Prozesses und der Meetings

Der Scrum Master spielt eine entscheidende Rolle bei der Sicherstellung, dass Scrum-Events und -Prozesse reibungslos ablaufen. Sie erleichtern tägliche Stand-up-Meetings, Sprint-Planungen, Reviews und Retrospektiven, um eine Umgebung zu schaffen, in der das Team effektiv zusammenarbeiten kann.

 

2. Scrum-Praktiken der gesamten Organisation beibringen

Scrum Masters fungieren als Coaches und unterstützen Teammitglieder dabei, Scrum-Prinzipien und -Praktiken zu verstehen und einzuhalten. Sie befähigen das Team zur Selbstorganisation und fördern eine Kultur kontinuierlicher Verbesserung.

 

3. Dem Team dabei helfen Hindernisse zu beseitigen

Scrum Masters sind die erste Anlaufstelle des Teams, wenn es um Hindernisse oder Probleme geht, die den Fortschritt behindern. Sie arbeiten proaktiv daran, diese Hindernisse zu identifizieren und zu beseitigen, unabhängig davon, ob sie mit Teamdynamik, technischen Problemen oder externen Abhängigkeiten zusammenhängen.

 

4. Konflikte erkennen, verhindern und lösen

Ein erfahrener Scrum Master hat die Fähigkeit, Konflikte im Team zu erkennen und zu mildern, bevor sie eskalieren. Durch die Förderung einer kooperativen und respektvollen Umgebung stellen sie sicher, dass Meinungsverschiedenheiten oder Streitigkeiten konstruktiv angegangen werden.

 

5. Das Team bei der Aufgabenplanung und Kapazitätsverwaltung unterstützen

Der Scrum Master ermutigt das Team während der Sprint-Planung zu realistischen und nachhaltigen Arbeitszusagen, um sicherzustellen, dass Teammitglieder sich nicht zu sehr verpflichten. Diese proaktive Anleitung gewährleistet, dass das Team während des Sprints ein nachhaltiges Tempo beibehalten kann, wodurch das Risiko von Burnout verringert wird und die Gesamtleistung verbessert wird.

 

 

Zusammenfassend spielt der Scrum Master eine entscheidende Rolle bei der Veränderung der Arbeitsweise einer Organisation. Sie sind nicht nur für die Durchführung von Meetings und die Durchsetzung von Regeln da, sondern sie führen die Umstellung von den alten Methoden zum agilen Ansatz an. Ihre Aufgabe besteht darin, praktische Lösungen für Teams und Organisationen zu finden, damit sie in dieser neuen Arbeitsweise erfolgreich sein können.

Obwohl ihr Weg herausfordernd ist, ist er auch außerordentlich lohnend, und Organisationen sollten ihnen die Autorität gewähren, die sie benötigen, um echte Veränderungen herbeizuführen. In einer Welt, in der agile Prinzipien für wirtschaftlichen Erfolg unerlässlich sind, erstreckt sich der Einfluss des Scrum Masters weit über das Scrum-Framework hinaus und macht sie zu Schlüsselspielern auf dem Weg zur agilen Exzellenz.

 

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Klaus Riedel

Als agile Coach begleitete Klaus Riedel mit seinem Team die digitale Transformation und die Einführung von Scrum und SAFe in großen Organisationen wie Deutsche Bank, Conrad Electronics, Volkswagen, PWC und anderen.

Alle seine gewonnenen praktischen Erfahrungen in mehr als 15 Jahren agile Transformation sind in die Artikel seines Blogs eingeflossen.

In der Scagile Academy bildet er Nachwuchs Agile Experts aus und seit 2016 unterrichtet er agiles Projektmanagement an der deutschen Fakultät der TU Sofia.

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